Sporttaucher und Taucher, die am Beginn ihrer Tauchkarriere stehen werden vielleicht von technischen Tauchern gehört haben. Hier eine kurze Einführung ins technische Tauchen.
Die Unterwasserwelt ist vielfältig. Von Korallenriffen bis Steilwände, von Grotten bis Höhlen und von Wracks bis zu unterschiedlichsten Spuren der Zivilisation seien es Fischzuchtanlagen, Autos, Ölplattformen und Bohrinseln oder ähnlichem. Unterschiedliche Tiefen, Tauchzeiten, verwendete Atemgase und die Tatsache ob der direkte Weg zur Oberfläche versperrt ist oder nicht, machen den großen Unterschied aus.
Beim Sporttauchen ist der direkte Weg zur Oberfläche grundsätzlich frei. Beim technischen Tauchen nicht. Hindernisse zur Oberfläche können tiefe Wrack- oder Höhlenpenetrationen sein oder die Tiefe selbst, die mit langen Dekompressionsstufen verbunden sind. Damit einher gehen zwangsläufig das verwendete Atemgas, wie wir weiter unten sehen werden, und die Konfiguration des Tauchers. Sporttaucher tauchen üblicherweise mit einer einzigen Flasche, während technische Taucher ausnahmslos mit Doppelflaschen unterwegs sind. Ferner verwenden technische Taucher zusätzliche Flaschen, da sie aufgrund der Penetrationen und/oder der erreichten Tiefen wesentlich mehr Luft als Sporttaucher für den Tauchgang benötigen. Im Folgenden möchte ich das Wesen dieser beiden Taucharten anhand der Tiefen erklären:
Sporttaucher mit Pressluft (Luft hat 21% Sauerstoff. Der Rest ist, abgesehen von ein paar Edelgasen, Stickstoff) sind bis in Tiefen von 30 Metern limitiert, mit einem Tieftauchbrevet bis 40 Meter. Je tiefer getaucht wird, umso narkotischer wirkt sich der Stickstoff in der Luft aus, was letztlich in einen Tiefenrausch enden kann. Mit zunehmender Tiefe und Verweildauer wird zusätzlich der Stickstoff im Gewebe stärker komprimiert. Um dem Körper die Möglichkeit zu geben den Stickstoff im Gewebe „abzuatmen“, werden während dem Aufstieg in geringeren Tiefen Stopps, sogenannte Dekompressionsstopps, kurz Dekostopps, eingehalten. Werden diese ausgelassen droht die Dekompressionskrankheit, was in einer Querschnittslähmung oder sogar im Tod enden kann. Die Dekompressionskrankheit ist ein Zusammenspiel des eingeatmeten Stickstoffes, des Drucks und der Zeit. Je tiefer getaucht wird, umso stärker werden die kleinen Stickstoffbläschen komprimiert. Sie dringen bis in die kleinsten Arterien und Venen ein. Taucht man nun auf lässt der Druck nach und die kleinen, komprimierten Stickstoffbläschen werden wieder größer. Wird nun zu schnell aufgetaucht (ohne Dekostopps) können die größer gewordenen Stickstoffbläschen in der Blutbahn stecken bleiben. Manche vergleichen dieses Phänomen mit einer geschüttelten Cola-Flasche und diese möchte keiner im Körper haben. Deshalb tauchen Sporttaucher grundsätzlich in der Nullzeit, es wird also nur solange in gewissen Tiefen verweilt solange keine Dekompressionspflicht entsteht.
Je tiefer das Ziel liegt, zum Beispiel ein Wrack, umso kürzer ist die Verweildauer in dieser Tiefe, um nicht in eine Dekompressionspflicht zu gelangen. Je tiefer getaucht wird, umso mehr Luft wird verbraucht, da Luft komprimiert wird. All dies erschwert das Fotografieren und das Filmen, je tiefer getaucht wird, bis es unmöglich wird.
Technische Taucher erreichen Tiefen jenseits der 40 Meter mit relativ langen Verweildauern und jedenfalls längeren Dekostopps. Dabei ist der technische Taucher grundsätzlich zwei Problemen ausgesetzt. Zum einen wirkt sich in Tiefen jenseits der 40 Meter die Stickstoffnarkose derart massiv aus, dass die Reaktionszeit des Tauchers gegen Null geht. Zum anderen ist der Sauerstoffanteil in der Luft ab einer Tiefe von 66 Metern (je nach Tauchsituation und Taucher bereits früher) toxisch, was zu einer Sauerstoffvergiftung führt. Die Sauerstoffvergiftung tritt unangekündigt ein, der Taucher ist nicht mehr in der Lage seine Bewegungen zu kontrollieren und damit meine ich jede Bewegung, auch das Halten des Reglers im Mund. Die Sauerstoffvergiftung kann mit einem epileptischen Anfall verglichen werden. Sauerstoffvergiftungen enden ausnahmslos tödlich (Ertrinken).
Um die Stickstoffnarkose zu mindern, wird der Stickstoffanteil im Grundgemisch in den Doppelflaschen reduziert und mit dem Inertgas Helium ersetzt, das eine geringere narkotische Wirkung aufweist. Aber Helium weist eine viel geringere Dichte als Stickstoff auf und das wiederum wirkt sich auf die Dekompressionszeiten aus, die so lange sind, dass eine Dekompression mit einem derartigen Grundgemisch praktisch nicht mehr durchführbar ist. Da Sauerstoff die Dekompression beschleunigt, werden zusätzlich zum Grundgemisch weitere Flaschen, sogenannte Stages, mit einem höheren Sauerstoffanteil mitgeführt. Meistens ist dies eine Stage mit 50% Sauerstoff und eventuell eine weitere mit 100%. Allerdings, je höher der Sauerstoffanteil in einer Stage, umso geringer ist die maximale Einsatztiefe derselben, da sonst wegen dem erhöhten Partialdruck wieder eine Sauerstoffvergiftung droht. Bei einem Sauerstoffanteil von 50% beträgt die maximale Einsatztiefe 18 bis 20 Meter, bei 100% gar nur sechs Meter.
Ein kurzer Exkurs zum Partialdruck. Luft hat, wie bereits erwähnt, einen Sauerstoffanteil von 21%. An der Oberfläche beträgt der Druck 1 bar. Je tiefer getaucht wird, umso stärker lastet das Gewicht des Wassers auf einen. Der Druck steigt. Der Partialdruck des Sauerstoffes ist nun definiert als die Multiplikation des Umgebungsdrucks mit dem Sauerstoffanteil im Grundgemisch. Zum Beispiel hat der Sauerstoff in einer Pressluftflasche an der Oberfläche 1bar x 0,21 = 0,21. Alle 10 Meter Tiefe steigt der Druck um ein bar. Das bedeutet, dass der Partialdruck des Sauerstoffes in einer Pressluftflasche auf 66 Metern Tiefe 7,6bar x 0,21 = 1,596 beträgt. Grob gesagt kann der menschliche Körper einen Sauerstoffpartialdruck von maximal 1,6 aushalten. Allerdings ohne Anstrengung und das hängt wiederum von Mensch zu Mensch ab. Ausreizen würde ich dies jedenfalls nicht. Tauchverbände empfehlen einen maximalen Partialdruck von 1,4 für Kalkulationen zu verwenden. Technische Taucher nehmen einen Wert, der noch kleiner ist.
Zurück zur Sauerstoffvergiftung. Um eine Sauerstoffvergiftung ab einer Tiefe von 66 Metern wegen des erhöhten Partialdruckes im Grundgemisch zu vermeiden, wird aus diesem Sauerstoff entnommen und wieder mit Helium ersetzt. Je tiefer ein Tauchgang, umso mehr Sauerstoff wird durch Helium ersetzt. Der höhere Druck in der Tiefe kompensiert den geringeren Anteil an Sauerstoff in der Flasche und macht es wieder atembar. Zum Beispiel hat ein Gemisch von 19% Sauerstoff in einer Tiefe von 30 Metern 0,19 x 4bar = 0,76. Verglichen mit dem Partialdruck an der Oberfläche von 0,21 ist dies somit mehr als genug um zu überleben.
Der Nachteil ist eine drohende Bewusstlosigkeit, sollte ein Gemisch mit zu wenig Sauerstoff nahe der Oberfläche geatmet werden (Hypoxie). Ein Gemisch wird dann hypoxisch, enthält also zu wenig Sauerstoff, wenn der Sauerstoffpartialdruck des Gemisches 0,16 unterschreitet. Es droht eine Bewusstlosigkeit ein und wieder der Tod durch Ertrinken. Auch hierfür werden Stages verwendet (Travelgas). Mit dem Travelgas können technische Taucher die ersten Meter überbrücken und können gleichzeitig dieses Gas auch in höheren Tiefen verwenden, je nach Zusammensetzung des Travelgases, das selbstverständlich einen Sauerstoffpartialdruck hat, der 0,16 überschreitet.
Kurzum, je nach geplanter Tiefe und Verweildauer führt ein technischer Taucher mehrere Stages mit unterschiedlicher Gaszusammensetzung mit sich. Eine Einatmung des falschen Gases in der falschen Tiefe endet meist tödlich. Ferner ist jeder technische Tauchgang ein Dekompressionstauchgang, das heißt der direkte Weg zur Oberfläche ist versperrt. Die Konzentration auf das Filmen und eine optimale Tarierung ohne die Sicherheit aus den Augen zu verlieren, erfordert langes Training. Das Mitführen von ausreichend Luft wiederum erfordert eine intensive Planung vor einem Tauchgang. Technisches Tauchen ist für das Filmen in Tiefen jenseits der 40 Meter jedenfalls alternativlos.
Die Krux des technischen Tauchens
Jeder technischer Taucher war einmal ein Sporttaucher. Erst wenn sich der Sporttaucher Unterwasser richtig wohl fühlt, bereits einige Male in tiefen 40 Metern war und fundamentales Wissen über die Dekompression und den Sauerstoff hat sowie sehr gut tarieren kann, ist er für das technische Tauchen grundsätzlich bereit.
Ich habe oft Taucher kennengelernt, die im Eiltempo vom Anfänger zum Divemaster ihre Kurse absolviert haben und dann auch gleich zum technischen Tauchen übergingen. Persönlich halte ich dies für fahrlässig, denn gut Ding braucht Weil. Nahezu jeder, der ernsthaft taucht, wird früher oder später eine brenzlige Situation zu meistern haben. Manche können auch sehr gefährlich sein. Üblicherweise entsteht eine derartige brenzlige Situation zwischen dem 70 und dem 150 Tauchgang, habe ich gehört. Ganz ehrlich: ich würde nicht gerne meine erste brenzlige Situation mit zwei oder gar drei Stages in Tiefen jenseits der 50 Meter erleben wollen. Das kann leicht tödlich enden. Ein Taucher muss erst lernen auf seinen Körper und sein Bauchgefühl zu achten, er muss auch brenzlige Situationen in kontrollierter Umgebung üben und er muss sich beherrschen können auch wenn der Regler plötzlich keine Luft mehr abgibt. Das ist meine persönliche Meinung und dazu stehe ich.
Tauchen mit drei zusätzlichen Flaschen mag cool ausschauen und eventuell für Sporttaucher auch machbar sein, doch die Stages müssen auch gehandelt werden können. Je nach Einsatztiefe wird die richtige Flasche hervorgeholt und mit einer anderen Flasche ersetzt. Es wird der Schlauch gezogen geatmet und beim Wechsel zum weiteren Gas muss der eben verwendete Regler verstaut, die eben verwendete Flasche gesichert und die andere Flasche hervorgeholt werden. Das alles wird erledigt indem die Tiefe gehalten wird, denn wer wie ein Korken aufploppt, findet sich in der Dekokammer oder am Friedhof wieder. Übung heißt hier das Zauberwort, wiederholtes Üben und am Ball bleiben, denn wir haben nur das eine Leben. Natürlich ist eine fundierte Ausbildung der erste Schritt zum technischen Taucher.